Einführung 

Anfänger kommen meist mit einer Nylonstring Gitarre zu mir und oft kaufen sie sich schon im ersten Jahr eine Westerngitarre – weil dies (neben der E-Gitarre) der Typ ist, welcher im allgemeinen öfters verwendet wird. 

Anfänger sind noch nicht in allen Teilen entscheidungsfähig, wenn's um den Gitarrenkauf geht – darum hier eine Anleitung, welche ich so zu schreiben versuche, dass auch Anfänger in der Lage sind ein für sie passendes Instrument zu kaufen.

Abgrenzung

Das hier geschriebene gilt für den Test einer Westerngitarre (Stahlsaiten), kann auch auf klassische Gitarren (Nylonstrings) übertragen werden, allerdings nicht einfach 1 zu 1 für E-Gitarren.

Wo man sein Instrument kauft

Ich muss eingestehen, dass ich ein relativ kritischer Zeitgenosse bin und genau dies der Grund ist, weshalb ich nicht einfach in jeden Laden gehen kann und dort zufriedengestellt werde. Gerade in einigen sehr bekannten Musikgeschäften, gibt es Verkäufer, welche ich einfach als „Schnurri“ bezeichnen würde, diese geben einem manchmal mit voller Überzeugung und Selbstbewusstsein die falschen Infos weiter – wenn man nachher nur mal auf der Verpackung liest, wird man von der Beratung u.U. schon etwas enttäuscht sein. Ich gebe für ein Produkt gern etwas (mehr) Geld aus, dafür muss jedoch auch das Einkaufserlebnis stimmen.

Ich erwarte von einer Beratung nicht, dass sie alles bietet, aber ich erwarte, dass die Beratung ihre eigenen Grenzen kennt und nicht tendenziös ist.

Für akkustische Instrumente schlage ich meinen Schülern aus diesem Grund fast ausnahmslos http://www.diegitarre.ch/ vor. Möglicherweise wird man dort für ein Produkt etwas mehr zahlen, jedoch wird man neutral beraten, nie gedrängt, der Sachverstand ist ausgezeichnet und als Anfänger wird man ernst genommen. Letzthin hat ein Schüler von mir dort ein Instrument für 4000 CHF gekauft – und testete vor dem Kauf einen ganzen Tag im Laden – NIE wurde er gedrängt.

Alle meine Schüler, welche bis anhin (Mai 2012) dort ein Instrument kauften, gaben mir nur bestes Feedback – womit ich das Geschäft uneingeschränkt empfehlen kann. Gitarrenlehrer haben manchmal auch Verbindungen zu Geschäften, wobei der Lehrer einen gewissen Prozentsatz an Umsatzbeteiligung erhält, dies ist bei mir absichtlich nicht der Fall, damit ich garantiert unbeeinflusst und neutral bin. 🙂

Tipps für den Gitarrentest im Laden

Viele meiner Anfänger-Schüler gingen mit den folgenden Tipps zum Gitarrenkauf und bestätigten mir, dass es möglich sei so „sein“ Instrument zu finden: 

Erscheinung

Für einige von uns spielt das Äussere nicht eine grosse Rolle, jedoch haben die meisten Schüler Vorstellungen. Einige von euch mögen es mir anlasten, dass ich diesen Punkt an erster Stelle aufführe, wenn jemand jedoch genau weiss, dass sie eine schwarze Gitarre möchte, dann hilft das ungemein bei der Vorselektion.

Einige Menschen stehen eher auf ein schlichtes Erscheinungsbild, andere finden ein paar Verzierungen angezeigt, wieder andere entscheiden sich für spezielle Lackierungen und eine besondere Holzstruktur. Die Vorstellungen sind frei – also: Wie sieht „deine Zukünftige“ aus? 

Halsform und Verarbeitung

Der Hals ist für mich sehr wichtig. Persönlich mag ich keine „zulackierten“ Hälse, was bei schwarzen Gitarren oft vorkommt (wohl weil es sonst etwas komisch aussieht) – für mich fühlt es sich etwas künstlich an. Nicht nur die Halsbreite, sondern auch die Halstiefe fühlt sich unterschiedlich an.

Saitenlage / Halskrümmung

Der Saitenlage ist die Distanz zwischen der gespannten Saite Bundstäbchen. Im 12 Bund sollte dieser Abstand bei der hohen (e1) Saite ca. 2mm betragen, bei der tiefen (E6) Saite ca. 2.5mm.

Die Stegeinlage hat Einfluss auf die Saitenlage, eine falsche Halskrümmung beeinflusst ebenfalls die Saitenlage. Siehe dazu auch: http://www.lakewood.de/de/tip3.php

Körperform

Es gibt kleinere und grössere Formen. Die Grösse wirkt sich auf das Klangvolumen aus – jedoch auch auf das Handling – bzw. wie sie auf deinem Bein liegt, was auch für die Taillierung gilt. Wie passt die Gitarre also auf deinen Körper? Liegt sie gut auf deinem Oberschenkel auf? Spürst du Unterschiede bei verschiedenen Modellen?

Cutaway

Ein Cutaway http://de.wikipedia.org/wiki/Cutaway_(Gitarre) hat optischen Einfluss und ist spieltechnisch relevant, wenn man in höheren Lagen (ab. Bund 14 bei einer Westerngitarre) spielt.

Grundsätzlich musst du entscheiden, ob du eine Gitarre mit oder ohne Cutaway möchtest. 

Stimmung der Gitarre

Die Gitarren die du miteinander vergleichst, sollten alle korrekt und gleich gestimmt sein. Wenn eine Gitarre z.B. einen halben Ton tiefer gestimmt ist, wirkt ihr Klangbild dunkler und ein direkter Vergleich zwischen zwei oder mehreren Gitarren wird erschwert.

Klang

Den Klang wirst du aufgrund deiner schon erlangten Fähigkeiten auf der Gitarre testen wollen.

Ich würde dir empfehlen die Gitarre in den von dir verwendeten Techniken zu testen – sicherlich einmal mit einem einfachen Strummingpattern (mit / ohne Plektrum). Andererseits mit einem dir schon bekannten Fingerpicking.

Beim Strumming kannst du z.B. einen G-Dur Griff verwenden, dieser hat meiner Meinung nach eine schöne Klangentfaltung, speziell wenn der 3te und 4te Finger jeweils auf der b- und e-Saite greifen.

Achte dich besonders auf die hohen Frequenzen und die tiefen Frequenzen.

Spiele auch einmal etwas kleines nur auf der e6 (dicke E-Saite) und vergleiche den Bassklang. Wie voll tönt der Bass? Auf welcher Gitarre sagt dir der Bass mehr zu? Hier gibt es recht grosse Unterschiede.

Selektionsverfahren

Das Verfahren ist einfach: Du testet nach obigen Angaben Gitarren. Wenn sie dir nicht zusagt, stellst du sie wieder zurück, wenn sie dir zusagt, lässt du sie in deiner Nähe. Wenn du mit dieser Methode ca. 5 (nicht mehr) in deiner Nähe hast, vergleichst du diese 5 untereinander und stellst diejenigen zurück, welche dir nicht entsprechen.

Frage auch den Verkäufer, ob es ähnliche Gitarren wie XY, welche dir besonders gut gefällt gibt, dann kannst du auch dort noch „reinhören“. Der Verkäufer wird dir auch sagen können, warum die Gitarre so tönt, wie sie tönt (z.B. Material der Holzdecke) – und somit weisst du auch genauer in welche Richtung es wahrscheinlich gehen wird.

Meistens beschreiben es meine Schüler so, dass sie am Schluss klar fühlen/wissen, welche Gitarre es denn sein soll – wenn du das fühlst, trifft's mit hoher Wahrscheinlichkeit auch zu. Zumindest habe ich bis jetzt von keinem einzigen Schüler etwas gegenteiliges gehört. 🙂

Verkäufer spielen lassen

Am Ende dieses Selektionsprozesses werden vielleicht 3 Gitarren übrig bleiben. Es kann einem jetzt u.U. recht schwer fallen, sich für das „richtige“ Instrument zu entscheiden, gerade auch, weil die hörbaren Unterschiede recht klein sein können.

Bitte in diesem Fall einfach den Verkäufer, diese Gitarren nacheinander mit dem selben Pattern/Stück zu spielen und setze dich frontal zum Verkäufer. Möglicherweise hilft dir das, weitere Nuancen wahrzunehmen. 

Versprechnungen von Verkäufern 

Wenn die Saitenlange / Halskrümmung des Instruments nicht optimal ist, frage den Verkäufer, ob man da noch etwas optimieren könne. In nicht ganz so seriösen Läden ist die erste Antwort: Ja, ja – da lässt sich schon noch etwas machen. Wenn man dann sagt, dass man das Instrument kaufen würde, wenn die Einstellung noch etwas bringe, ist plötzlich nicht mehr so viel möglich – oder ein erfahrener Verkäufer wird kontaktiert – und dieser sagt uns dann, dass eben nicht mehr so viel ginge.

Bei oben erwähntem Geschäft ( DieGitarre ) müsst ihr euch nicht um solche Dinge kümmern, die Gitarren sind bereits optimal eingestellt und euch wird nichts versprochen, was nicht möglich ist.

Vergleich mit sehr teurem Instrument

Auch wenn es dein Budget bei weitem übersteigen würde, nimm auch mal ein Instrument der Spitzenklasse zur Hand und führe deine Tests durch. Verwende die Erkenntnisse welche du dabei gewinnst als Vergleichswert. Teurer heisst aber auch nicht automatisch, dass der Klang dir auch besser gefällt.

Wie lange ein Test etwa dauert

Einerseits kannst du das Musikgeschäft deiner Wahl mehrmals besuchen. Plane jedoch für den Test sicher 2 Stunden ein – es gibt auch Schüler, welche sich einen ganzen Tag Zeit genommen haben – allerdings wird die Entscheidungsfähigkeit mit zunehmender Testlänge nicht unbedingt besser – jedoch ist das natürlich vom Tester abhängig. 

Preis des Instruments

Sicherlich ist es wichtig eine konkrete Preisverstellung zu haben. Schlussendlich bringt es aber nichts, wenn du ein teureres Instrument kaufts, dies sich aber für dich beim spielen nicht besser anfühlt und im Direktvergleich auch nicht besser tönt.

Viele Schüler nehmen sich ein Budget vor (z.B. 1000 – 1500 CHF) und kaufen trotzdem ein teureres, weil sie eben mit einem teureren Instrument vergleichen und ihnen der Aufpreis dann gerechtfertig erscheint.

Persönlich berechne ich Instrumentenpreise immer auf 20 Jahre. Das heisst, dass mich ein Instrument für 2000 CHF im Jahr 100 CHF kostet – eigentlich nicht zu viel. Aber selbstverständlich sollte die eigene finanzielle Situation berücksichtigt werden. 🙂

Randbemerkung

Ein Schüler von mir hat nach Durchsicht dieses Artikels erwähnt, dass die Gitarren unterschiedlich riechen. Die einen mehr leimig, andere lebendig-frisch waldig. Er erwähnte, dass dies zumindest unterbewusst einen Einfluss haben könnte, wie wir die Gitarren beurteilen, wenn sie klanglich praktisch gleichwertig seien.

Ich finde diesen Gedanken erwähnenswert, darum sei er hier auch angemerkt.

Danksagung

Vielen Dank Ruedi (Schüler) für die Durchsicht des Artikels und für deine Gedanken dazu.

Original: 2013.07.15